11.09.2023 - MAG Lifestyle Magazin exklusiv - Eisenbahnen & Bahnreisen History - Reportagen & Specials Agenten & Spione
In dieser Zeit wurden Schlafwagen und Speisewagen der Österreichischen Bundesbahnen von den Mitarbeitern der CIWL, den Compagnie Internationale des Wagons-Lits, betreut.
Die ÖBB Liegewagen im Regelverkehr wurde von Schaffnern oder Zugführern der ÖBB begleitet wohingegen die gleichen Liegewagen der ÖBB bei Sonderliegewagen in Regelzügen oder Sonderzügen vom
Personal des ÖVB, des Österreichischen Verkehrsbüros, betreut wurden.
Die Liegewagen mussten über die gesamte Fahrtroute von einem Liegewagenbetreuer begleitet werden wogegen das Zugpersonal zumindest an den Grenzen von den nationalen Bahngesellschaften gestellt
wurde.
Die Schlafwagen der DR, der ostdeutschen Bahngesellschaft Deutsche Reichsbahn, führten das Emblem der Mitropa und das Begleitpersonal wurde ebenso von der Mitropa gestellt.
Die Übernahme des Fahrtauftrages vom Liegewagenbetreuer erfolgte am Tag der Abfahrt im Österreichischen Verkehrsbüro welches sich zu dieser Zeit im Opernringhof befand. Der Fahrtauftrag wurde
durch ein Dienstelegramm "serv 7132 gd wien" festgelegt welches an alle beteiligten Bahnhöfe und Zugleitungsstellen sowie das ÖVB gesendet wurde. In diesem Fall an die
Zugleitung Wien, Wien Südbahnhof als Heimatbahnhof des Liegewagens, an Wien Franz Josefsbahnhof als Ausgangsbahnhof, an Gmünd als Grenzbahnhof, an Prag zur Übergabe des Wagens an einen anderen
Zug und an Berlin als Ankunftsbahnhof.
Der Liegewagen mit der Wagenreihungs - Ordnungsnummer 951 der ÖBB 51 81 51 50 021-3 mit Heimatbahnhof Wien Südbhf. wurde von Franz Josefsbahnhof nach Berlin Ost von 19. auf 20.September 1985 mit
den Zügen 678/278 / 270 befördert. Die Abfahrt in Wien Franz Josefsbahnhof erfolgte planmäßig um 17:30 Uhr. Da die Franz Josefsbahn noch nicht durchgehend elektrifiziert war wurde der Zug bis
Gmünd von der ÖBB Baureihe 2143 gezogen. Der Zug 678/278 fuhr von Wien nach Prag. Der D 270 Meridian fuhr in der Relation Beograd - Berlin Ostbahnhof und der Sonderliegewagen sowie der
Planschlafwagen der Mitropa wurde in Prag dem Zug nach Berlin Ost beigestellt. Die Reisegruppe führte die Fahrt nach Dresden sodass der Liegewagen ohne Belegung leer von Dresden weitergeführt
wurde und Berlin Ost um 08:02 erreichte.
Die Begleitung des Sonderliegewagens der ÖBB auf der gesamten Strecke oblag einem Liegewagenbetreuer des Österreichischen Verkehrsbüro. Dieser betreute seit Jahren Sonderliegewagen von Österreich durch ganz Europa, an die spanischen Grenze und bis nach Athen und Istanbul sowie an Ziele in Sizilien und Norddeutschland. Die Fahrt nach Ostberlin war aber ein Novum. Der Mitropa Schlafwagen wurde von einer Mitropa Schlafwagenschaffnerin begleitet. Dass Frauen diesen Dienst versahen war zu dieser Zeit auch beim ÖVB üblich, bei den ÖBB und der ISTG noch undenkbar. Wie üblich statteten sich die Schlafwagen- und Liegewagenschaffner vor oder nach der Abfahrt einen Besuch ab, um bei einer Plauderei über die bevorstehende Nachtfahrt Gedanken auszutauschen, zumeist bei einem Kaffee.
Die ostdeutsche Schlafwagenschaffnerin lud den österreichischen Kollegen auf einen Kaffee ein und das Gespräch führte von die Fahrt betreffende dienstliche Belange bis zum Gedankenaustausch über
das Fahren auf Schlaf- und Liegewagen durch Europa. Der österreichische Liegewagenbetreuer war zu dieser Zeit bereits seit einigen Jahren außer auf Westeuropäischen Routen häufig auf Balkan- und
der Orientroute unterwegs. Die Grenzübergänge durch den Eisernen Vorhang nach Rumänien oder Bulgarien gehörten zur Routine.
Neu war die Warnung der ostdeutschen Kollegin, dass er sich rechtzeitig vor Gmünd, der Grenzstation in Österreich zur Tschechoslowakei, in "seinen" Waggon begeben sollte. Außer den obligaten
Grenzorganen der Österreicher und Tschechoslowaken gibt es ab Gmünd eine "Kontrolle" durch zivile Mitarbeiter des MfS, des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit und alleine gemeinsam bei
einem Gespräch gesehen zu werden könnte sich nachteilig für beide auswirken. Diese MfS Mitarbeiter stiegen in Gmünd, also in Österreich, zu und fuhren bis Prag mit. Sie pendelten sozusagen
für Ihre "Aufgabe" zwischen Gmünd und Prag. Ab Prag könne man sich wieder treffen und auch ein mitternächtlicher Drink wäre gefahrlos möglich. An diese Fahrt erinnert als Andenken ein
Kaffeehäferl mit Kännchen der Mitropa da ein morgendliches Wiedersehen und Treffen auf einen Frühstückkaffee für beide in keinem der Waggons möglich war. Die Grenzkontrollen zur DDR übetrafen an
Genauigkeit alle anderen Grenzformalitäten am Eisernen Vorhang auf den Balkan- und Orientrouten!
Update 15.09.2023
Aufgrund von Rückfragen an unsere Redaktion
"was ist wer am Zug" zusammengefasst aus den Vorschiften der ÖBB der 80er Jahre
Zugführer: trägt die Verantwortung für die Sicherheit und ordnungsgemäße Abwicklung einer Zugfahrt und muss über Streckenkenntnis verfügen. Dem Zugführer obliegt schriftlich
alles über die Fahrt des Zuges betreffenden Ereignisse auf der ihm zugeteilten Strecke festzuhalten. Der Zugführer ist nicht der Lokführer und fährt daher nicht den Zug. In mit Fahrdienstleitern
unbesetzten Bahnhöfen erteilt der Zugführer dem Lokführer den Abfahrtsbefehl bei Tag durch einen kleinen Befehlsstab, die Winkscheibe, in Österreich eine runde weiße Scheibe mit grünem Rand,
bei Nacht durch ein grünes Licht seiner Zugbegleiter - Taschenlampe welche durch verschiebbare Farbscheiben weiß, rot und grün anzeigen kann.
Schaffner: trägt die Verantwortung für die ihm zugeteilten Reisezugwagen und muss über Streckenkenntnis verfügen. Er gibt dem Zugführer "Abfahrtbereit" für seinen Teil des
Reisezuges bei Tag durch heben des rechten Armes, bei Nacht durch ein weißes Licht seiner Zugbegleiter Taschenlampe welche durch verschiebbare Farbscheiben weiß, rot und grün anzeigen
können.
Schlafwagenschaffner: trägt die Verantwortung für seinen Schlafwagen und benötigt keine Streckenkenntnis und werden auf international verkehrende Zügen auch im
grenzüberschreitenden Verkehr auf der gesamten Laufstrecke des Schlafwagens eingesetzt. Dem Schlafwagenschaffner obliegt der "Fahrtbericht mit abgenommenen Bettkarten" für seinen
Schlafwagen.
Im Regelfall erfolgt das Signal "Abfahrtbereit" durch den für den Zugteil zuständigen Schaffner. Bei unübersichtlich gelegenen Bahnstationen oder außerordentlichem Zughalt kann der
Schlafwagenschaffner ebenfalls die Abfahrtsbereitschft seines Wagens (keine zu- oder aussteigenden Passagiere) durch Hand- oder Lichtsignal wie ein Schaffner anzeigen oder durch eine kreisrunde
Handbewegung bei Tag ohne Licht, bei Nacht weißes Licht anzeigen, dass keine Abfahrtsbereitschaft vorhanden ist..
Liegewagenbetreuer: trägt die Verantwortung für seinen Liegewagen wobei maximal 2 Liegewagen durch einen Begleiter betreut werden dürfen. Dem Liegewagenschaffner oder
Liegewagenbetreuer obliegt der "Fahrtbericht mit abgenommenen Liegekarten" für seinen oder seine Liegewagen. Liegewagenbetreuer benötigt keine Streckenkenntnis und werden auf international
verkehrende Zügen auch im grenzüberschreitenden Verkehr auf der gesamten Laufstrecke des Liegewagens eingesetzt.
Im Regelfall erfolgt das Signal "Abfahrtbereit" durch den für den Zugteil zuständigen Schaffner. Bei unübersichtlich gelegenen Bahnstationen oder außerordentlichem Zughalt kann der
Liegewagenschaffner ebenfalls die Abfahrtsbereitschft seines Wagens (keine zu- oder aussteigenden Passagiere) durch Hand- oder Lichtsignal wie ein Schaffner anzeigen oder durch eine kreisrunde
Handbewegung bei Tag, bei Nacht mit einem weißen Licht seiner Taschenlampe anzeigen, dass keine Abfahrtsbereitschaft vorhanden ist.
Lokführer: fährt den Zug, muss über Streckenkenntnis verfügen und erhält den Abfahrtbefehl bei mit Fahrdienstleitern besetzten Bahnhöfen von eben diesem, bei
unbesetzten Bahnhöfen vom Zugführer da er vom Führerstand seiner Lok oft nicht den gesamten Zug einsehen kann. Das "grün anzeigende Signal" gibt die Strecke frei, der Abfahrtsbefehl zur sicheren
Abfahrt, das bedeutet keine zusteigenden oder aussteigende Passagiere, erhält der Lokführer bei Reisezügen vom Fahrdienstleiter oder vom Zugführer.