Der legendäre Bäderzug, der Autoreisezug "Biokovo" von Wien Südbahnhof im Karst vor Split in Dalmatien
in den 80er Jahren mit dem Speiswagen der KSR hinter der Lokomotive der Baureihe 661 mit dem Spitznamen "Kennedy"
28.03.2021 - MAG Lifestyle Magazin exklusiv - Eisenbahnen & Bahnreisen & MAG Eisenbahnmagazin & - Eisenbahnen Kroatien
Die Geschichte der Bäderzüge von Wien nach Split geht auf die 50er Jahre zurück. Lange Anreisen an die einst jugoslawische Adria, nach Dalmatien, die aufgrund schlecht ausgebauter Strassen
einem Abenteuer gleich kamen, lockten auch viele Autoreisende auf die Schiene. Die Autos wurden im alten Südbahnhof auf Rungenwagen verladen und mit Holzkeilen, jeder einzelne Keil händisch mit
Nägel fixiert, gegen verrollen gesichert. Den Reisenden standen Sitzwagen, Liegewagen und Schlafwagen zur Verfügung. Die Sitz- und Liegewagen wurden von den ÖBB gestellt, die Schlafwagen von der
KSR, der jugoslawischen Schlafwagen & Speiswagen Gesellschaft. Die Aufsicht über den Zug hatte über die gesamte Strecke ein Zugleiter der AÖR, der Arbeitsgemeinschaft österreichischer
Reisebüros, gestellt vom Österreichischen Verkehrsbüro. Ab dem heute slowenischen Maribor, wurde dem Zug ein Speisewagen der KSR beigestellt in dem frisch aufgekocht wurde. Keine Fertigerichte,
frisch zubereitete Speisen serviert von weiss gekleideten Kellnern die das Abendessen in zwei Durchgängen den Gästen auf Tischen mit weiss gedeckten Tischtüchern und Stoffservietten servierten.
Die Elektrifizierung der Südbahn begann 1956 und 10 Jahre danach war die Strecke bis Graz elektrisch befahren.
Bis 1972 konnten neben Diesellokomotiven auch noch Dampflokomotiven von Graz bis zum Grenzbahnhof zwischen Österreich und Jugoslawien in Spielfeld-Strass zum Einsatz kommen.
Der 3. Wiener Südbahnhof wurde am 29. September 1956 eröffnet und bestand als der größte Bahnhof Österreichs. Der letzte Betriebstag des Bahnhofs in der bisherigen Form war der 12. Dezember 2009. Auf dem Areal entstanden der erste Hauptbahnhof von Wien.
Ab dem Grenzbahnhof Spielfeld-Strass kamen vorerst Dampflokomotiven der JZ, den Jugoslawischen Staatsbahnen, zum Einsatz die ab 1960 von den legendären Diesellokomotiven amerikanischer Bauart von
General Motors mit dem Spitznamen Kennedy abgelöst wurden. Diese Lokomotiven waren auch nach der Elekrtrifizierung einiger Teilabschnitte zur Führung der Bäderzüge bis spät in den 80er Jahren im
Einsatz.
Aufgrund der beachtlichen Zuglängen der Autoreisezüge und Überwindung der Steigungen auf der Dalmatiner Bahn zwischen Knin und Split wurden ab den 80er Jahren auch modernere Diesellokomotiven der
Baureihe 663 eingesetzt. Manchmal war aufgrund der Länge der Züge Doppeltraktion oder sogar in Dreifachtraktion, zwei Zuglokomotiven und eine Lokomotive zum Nachschieben, erforderlich .
Bei Lokomotivmangel und Überlänge der Züge aufgrund der vielen Autotransportwagen blieb mancher Bäderzug auf der morgendlichen Fahrt durch das karstige Gebirge auf der Dalmatiner Bahn nach Split
liegen. So begab es sich einmal, dass die gesamte Zugmannschaft nachdem das alte, aus der k.u.k. Zeit stammende Flügelsignal auf freie Fahrt wechselte, händisch Sand auf die Schienen vor der Lok
streuen musste um ein Anfahren trotz beachtlicher Steigung und durchdrehenden Rädern zu ermöglichen um halbwegs pünktlich Split zu erreichen. Kurzer Kommentar, Zug zu lang, Zug zu schwer!
Die Reisenden sollten Ihre Fähren zu den Inseln Dalmatiens erreichen und die Zugmannschaft freute sich auf einen sonnnigen Badetag an einem der wunderschönen Strände in oder um Split.
Der Kopfbahnhof in Split befindet sich direkt beim Hafen und in unmittelbarer Nähe der Altstadt welche sich innerhalb des Diokletian Palasts befindet. Das Endgleis des in Harfenform angelegten Bahnhofes endet unmittelbar am Meer neben den Strandbad Bacvice.
Die Liegewagen, in den 50er Jahren als "Sportliegewagen" angepriesen waren die preiswertere Alternative zum Schlafwagen. Es gab pro Wagen bis zu 11 Abteile, jedes war für 6 Fahrgäste vorgesehen. Im Gegensatz zu den Schlafwagen gab es gemischte Belegung. Tagsüber glich das Abteil einem normalen Sitzabteil der 2. Klasse und wurde abends vom Betreuer durch hochklappen der Sitzlehnen in ein Liegewagenabteil verwandelt. Die Liegewagen verfügten über Kopfpolsterbezüge mit dem Logo des Österreichischen Verkehrsbüros "ÖVB", die Leintücher und Decken stellte die ÖBB.
Lange Zeit kamen noch grüne Waggons mit Elektro- und Dampfheizung zum Einsatz, mit der damals üblichen grünen Kunstledertapezierung der Sitze und Liegen. Diese Wagen waren als Sonderwagen
für Reisegruppen aufgrund der Dampheizung zum Beispiel nach Istanbul oder Athen bis in die 80er Jahre im Verkehr.
Diese Sonderliegewagen wurden ebenfalls von Liegewagenbetreuern des Österreichischen Verkehrsbüros begleitet, so wie einst für alle Sonderliegewagen der ÖBB auf Strecken Europas üblich.
Die Jugoslawischen Schlafwagen der KSR entsprachen dem Standard den Waggons der Compagnie Internationale des Wagons-Lit. Die Abteile verfügten über ein bis maximal drei komfortable Betten. Bei
Buchung eines Bettes in der 2. Klasse gab es Damen- & Herrenabteile. In der ersten Klasse Einett und Zwebettabteile. Jedes Abteil verfügte über einen Waschtisch mit dem darunter
befindlichen Nachttopf für Bedürfnisse während der Nacht. Auf jedem Bett fanden die Passagiere eine Seife und ein Handtuch.
In jedem Schlafwagen gab es, wie in den Liegwagen, einen nur für diesen Waggon zuständigen Schlafwagenschaffner der während der Nacht auf einer Gangliege vor seinem Dienstabteil die
Aufsicht hatte. Zu seinen Aufgaben gehörte ebenso wie beim Liegeawagen das Einsammeln der Pässe und Fahrkarten um den Gästen während der Nachtruhe eine Störung durch Grenz- und
Fahrkartenkontrollen zu ersparen.
Reisen mit dem Liegewagen erfreute sich immer größerer Beliebtheit so dass neues Personal gesucht wurde. Neben saisonalen Bäderzügen nach Jugoslawien und Italien reisten Gruppen von meist 60 bis 120 Personen mit Sonderliegewagen auf regulären Zügen von Österreich quer durch Europa. Beliebte Ziele waren Istanbul, Saloniki, Athen, die Schwarzmeerküste und die spanische Grenze. Auch Pilgerzüge mit mehreren 100 Passagieren führten an berühmte Pilgerorte wie Einsiedeln, den grösste Wallfahrtsort der Schweiz oder nach Lourdes in Frankreich. Die Dienstzeiten bei Reisen in die Türkei oder nach Griechenland betrugen oft mehr als 50 Stunden pro Fahrtrichtung. Die Freizeit konnte in den jeweiligen Zielorten genossen werden. Durch den steigenden Bedarf an Liegewagenbetreuern entwickelte sich dies zu einem beliebten Sommerjob für Studenten. Hierfür waren zwei Einschulungsfahrten und die Kenntnis der ÖBB Dienstanweisung zur Begleitung von Liegewagen erforderlich. Nach der ersten Fahrt wusste der einschulende Zugleiter oder Liegewagenbetreuer sofort ob der Neuling nie wieder solche Strapazen auf sich nehmen würde oder mit voller Begeisterung sich in diesen Job verlieben würde. So gab es bereits tätige Lehrer und Ärzte welche sich dem Reiz des Reisens auf der Eisenbahn auch nach Berufsantritt nicht entziehen konnten und gerne bei Engpässen aushalfen oder einmal wieder als Zugbegleiter auf ihrer Liebligsstrecke unterwegs sein wollten.
Die Autos wurden moderner, die Strassen besser aber an den schier unendlich lange Staus an der Grenze von Spielfeld Strass in der Hauptreisezeit entging man nur mit dem saisonal verkehrenden
Biokovo Express.
Die Reisezugwagen wurden moderner, die Sitzwagen wurden orange und die Liegewagen blau mit einer doppelten, weissen Zierlinie lackiert und die Sitze und Liegen erhielten eine blaue
Plüschtapezierung welche den Fahrgästen bei grosser Hitze eine beträchtliche Komfortsteigerung beim Schlafen gewährte. Man konnte auch zwischen 6 Bett und 4 Bettbelegung wählen. Die Schlafwagen
in klassischem dunkelblau blieben mit unverändertem Komfort im Dienst.
Die Abfertigung des Bäderzuges, die Fahrkartenausgabe für Reisende und Kraftfahrzeuge sowie die Begleitung oblag nach wie vor dem Österreichischen Verkehrsbüro wobei der Name dem Zeitgeist entsprechend englisch, auf Rail Tours, modernisiert wurde.
Die Speisewagen der KSR boten immer noch frisch zubereitete Köstlichkeiten und verwandelten sich nach der Sperrstunde zu einer Bar für Unterhaltung oder auch amouröse Abenteuer suchende Passagiere. So begab es sich bei einer der Fahrten, dass nach Mitternacht der Koch des Speisewagens mit einem lauten Schrei aufsprang, seinen Speisewagen und seine Tischdame verliess und bis morgens zum Frühstück nicht mehr gesehen wurde. Die Dame an seinem Tisch verliess unauffällig den Speisewagen um ihr Abteil aufzusuchen. Am nächsten Morgen klärte sich die Geschichte auf. Nachdem ihn die Dame nach einer Flasche dalmatinischen Wein zu zu mehr animierte und seine Hand unter ihren Rock die Schenkel aufwärts rutschte bemerkte er mit grösstem Erschrecken, dass es sich bei dem vermeintlich weiblichen Reisegast um ein männlichen Passagier handelte.
Auch Fussballereignisse hatten ihre Auswirkungen auf diesen Zug.
Nach einem für Fussballfans wichtigen Match im Stadion Poljud von Split konnte die Zugmannschaft nach einer Feier den Zug in Split nicht mehr abfertigen. Schlafend, ja besinnungslos, wurden
Zugführer und Schaffner zu Passagieren degradiert und in einem Abteil verstaut. Die Mannschaft der Liegewagen und Schlafwagen übernahmen die Aufgabe der JZ Kondukteuere. Der Zug konnte mit
wenigen Minuten Verspätung in Split abgefertigt werden und die Passagiere aus Sibenik konnten in Perkovic sowie die Touristen aus Zadar aufgrund eines weiteren Zwischenfalles etwas verspätet in
Knin zusteigen. Ein Fussballfan der sich in diesen Zug verirrte wollte bei seinem Haus auf freier Strecke aussteigen und zog die Notbremse. Da es sich teilweise um alte Waggons handelte löste die
Notbremse ein nur manuell rückstellbares Ventil in eben diesem Waggon aus. Der Lokführer signalisierte mit Pfeiffsignalen dass er die Bremsen des Zuges nicht lösen kann. Auch dieses Problem wurde
durch Schliessen der Bremsleitung zwischen den Zugteilen und dem danach möglichen Schliessen des Notbremsventils in dem notgebremsten Sitzwagen gelöst und der Zug konnte die Fahrt fortsetzen. Es
waren die 80er Jahre, Spass und Lebenslust stand im Vordergrund und letztendlich erreichte auch dieser Zug mit allen Reisenden etwas verspätet aber sicher Wien.
Der Jugoslawienkrieg beendete die mehr als 30 jährige, in den Sommermonaten traditionsreiche Bahnverbindung des Biokovo Expresszuges zwischen Wien und Split, der bedeutenden Hafenstadt in Dalmatien.
Die ÖBB küdigt in Zusammenarbeit mit den slovakischen Eisenbahnen ab Sommer 2020 eine Autoreisezugverbindung von Bratislava über Wien nach Split an.
Nicht nur den Biokovo erwartet somit ein Revival, auch in anderen Ländern erleben legendäre Bäderzüge eine Auferstehung.
In Frankreich wird diesem Trend Rechnung getragen und noch dieses Jahr soll erneut ein Nachtzug zwischen Paris und Nizza verkehren.
Ein tschechischer Reiseveranstalter plant mit seinen Yellow Trains regelmässige Zugsverbindungen von Prag über Brünn, Bratislava, Györ und Budapest nach Zagreb, Rijeka und Split.
TIPPS & Links - weitere Artikel zu Eisenbahnen in Europa
TIPPS
Bildband
Die Jugoslawischen Eisenbahnen in den 80er Jahren
mit Bildern von ÖBB Liegewagen
Weitere Bilder zu den Jugoslawischen Eisenbahnen in den 80er Jahren mit Bildern aus einer Zeit in der Fotografieren bei Strafe verboten war
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Antworten zu Leserkommentaren
Antwort zu Kommentar # 2
Sehr geehrter Herr Prim. Dr. Bergmann
Vielen Dank für Ihren Kommentar! Der Artikel wurde von mir, Michael Alexander Grandits, Chefredakteur des MAG Lifestyle & Reisemagazins verfasst. Ich war ebenfalls von 1980 bis 1987 im
Verkehrsbüro als Liegewagenbetreuer und Zugleiter von Sonder- & Messezügen tätig und habe diese Zeiten in meinem Bildband die Eisenbahnen der JZ in den 80er Jahren verewigt. Gerne denke ich
an diese Zeiten zurück, die Einteilung der Betreuer erfolgte zu meiner Zeit bereits von Frau Waltraud. Ich stimme Ihnen zu, die Erfahrungen waren auch mir bei meiner weiteren Laufbahn vom eigenen
Reisebüro über die Seefahrtschule bis hin zu meiner Tätigkeit als Journalist ein nicht zu missender Erfahrungsschatz.
Mit freundlichen Grüssen
Michael Alexander Grandits
Bernd Bergmann (Sonntag, 18 Juni 2023 12:19)
Habe es genau so erlebt, wie im Artikel beschrieben. Waren schöne Zeiten - Student und Liegewagenbetreuer!
Da werden Erinnerungen wach! Und man möchte es kaum glauben: Auch bei meiner späteren Tätigkeit als Primararzt waren mir die im Dienste der Bahn gemachten Erfahrungen durchaus nützlich.
Lieber Gruß an den Herrn Wassibauer! War ein wohlwollender Vorgesetzter.
Würde gerne wissen, wer den enthusiasmierenden Artikel geschrieben hat. Zweifellos ein Insider!
Oswald Wassibauer (Montag, 13 September 2021)
Gerne erinnere ich mich an diese Zeiten, als die sog.Bäderzüge nach Jugoslawien und Italien unterwegs waren.
Die Reiseleiter und Liegewagenbetreuer wurden von mir jedes Wochenende eingeteilt und alles funktionierte
eigentlich einwandfrei. Mittlerweile bin ich schon fast 83 Jahre alt !
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